Die Traenen des Moerders by Mark Billingham

Die Traenen des Moerders by Mark Billingham

Autor:Mark Billingham [Billingham, Mark]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-11-27T05:00:00+00:00


»Ich kann mich nicht erinnern, dass einer von beiden sonderlich an Mathematik interessiert gewesen wäre.«

Thorne nickte geduldig. Ken Bowles schien sich generell nicht an viel zu erinnern. Er war sich bewusst, wie stressig der Lehrerberuf war, doch Bowles konnte unmöglich so alt sein, wie er aussah. Seine Haare waren schneeweiß, und seine Haut wirkte grau und ledrig. Die Augen hinter dem Drahtgestell seiner Brille waren wässrig, seine riesigen Zähne waren braun wie altmodische Bonbons aus dem Glastopf und klapperten laut aufeinander, wenn er sprach – und gelegentlich auch, wenn er nichts sagte.

»Wissen Sie noch, ob Palmer und Nicklin eng befreundet waren?«, fragte Thorne.

Seufzend trat Bowles ans Fenster. Seine Krawatte war verrutscht und seine Hose kreideverschmiert. »Ich kann mich nicht besonders gut an sie erinnern. Ich fürchte, ich konnte beide nicht ausstehen, aber das ist nicht ungewöhnlich. Mathematikunterricht ist der Unterricht, der am häufigsten gestört wird. Der größere von beiden … war das Palmer?« Thorne nickte. »Er ließ sich von seinem Freund ablenken. Da …« Er deutete auf die hintere Ecke des Zimmers. »Dort hinten trieben sie ihren Unsinn. Tauschten Briefe aus und lachten. Palmers Hausaufgaben waren gut, glaub ich, aber während des Unterrichts war er … nicht bei der Sache.«

»Hätten Sie die beiden nicht auseinander setzen können? Palmer nach vorne …?«

Bowles zuckte mit den Achseln und sah aus dem Fenster. »Ich hatte sie nicht so lange, verstehen Sie? Im September wären sie wahrscheinlich ohnehin in verschiedene Leistungsgruppen gekommen, doch dazu kam es ja nicht, weil sie von der Schule verwiesen wurden.« Er rubbelte mit dem Finger an einem Schmutzfleck am Fenster. »Ein älterer Junge, ich kann mich nicht mehr an seinen Namen erinnern. Sie schnappten sich ihn außerhalb des Schulgeländes und zerrten ihn in den Park, glaub ich …«

Thorne kannte die Geschichte. Palmer hatte sie ihm erzählt. Dabei waren seine Augen hinter der Brille feucht geworden, er hatte langsam und traurig genickt, als er sich selbst durch das falsche Ende eines Teleskops betrachtete, und geschwitzt, als er es noch einmal durchlebte. Jedes Detail konserviert im Aspik erinnerter Scham. Die Füße in den abgestoßenen Straßenschuhen schienen wie festgewurzelt zu sein, unfähig, ihn wegzutragen; die wulstigen Finger legten sich langsam um den braunen, geriffelten Griff der Pistole …

Thorne wurde klar, dass das der Moment gewesen war, in dem sich alles geändert hatte. Ab diesem Augenblick gab es kein Zurück mehr. Er dachte darüber nach, was Bowles ihm soeben erzählt hatte. Ein paar Monate später wären Palmer und Nicklin in verschiedenen Leistungsgruppen gewesen, hätten sich auseinander entwickelt. Nicklins Einfluss auf den Jüngeren wäre nicht mehr so stark gewesen. Hätten sie sich auseinander entwickelt? Hätten womöglich ein paar Monate damals, vor so vielen Jahren, fünf Frauen das Leben retten können?

Mindestens fünf Frauen …

Es klopfte an der Tür, und Holland trat ein. Thorne nickte ihm zu. »Das ist Constable Holland …«

Bowles musterte ihn theatralisch und tat, als wäre er schockiert. »Sieht aus wie ein Sechstklässler.« Holland lächelte achselzuckend über den schwachen Witz.

»Haben Sie verfolgt, wie es mit den beiden weiterging, nachdem sie von der Schule geflogen waren?«, fragte Thorne.



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